Eröffnung der Wanderausstellung der Russland-Deutschen Landsmannschaft am 06.10.2022 in Michelstadt, Odenwaldhalle - Andreas Wagner (li.) begrüßt Bürgermeister Dr. Tobias Robischon. Foto: Rolf Wilkes

Die Wanderausstellung „Deutsche aus Russland – Geschichte und Gegenwart“ bietet erstmals im Odenwald die Gelegenheit, die vom Bundesinnenministerium geförderte Dokumentation über die Geschichte und Gegenwart eine der größten Zuwanderergruppen in Deutschland zu besuchen. Die Ausstellung wurde von der „Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V.“ ins Leben gerufen. Sie informiert Interessierte über historische Ereignisse als auch individuelle Biografien. Zur Eröffnungsfeier dieser Ausstellung lud Michelstadts Bürgermeister Tobias Robischon alle Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung für Donnerstag (06.10.) in die Odenwaldhalle in Michelstadt ein. 

Über die Wanderausstellung

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Russlanddeutsche, die nach Hessen gekommen sind und als anerkannte Aussiedler (Aussiedlung vor 1992) sowie Spätaussiedler (Aussiedlung nach 1992 gemäß neuem Verfahren) hier leben, sind mit ihrer Aufnahme hier deutsche Staatsbürger. Von 1979 bis zum Jahr 2021 sind 268.939 Aussiedler und Spätaussiedler nach Hessen gekommen. Damit leben aktuell rund 280.000 Personen mit Aussiedlungshintergrund in diesem Bundesland. Ihre Geschichte und Kultur ist deshalb sowohl Bestandteil der deutschen, als auch der gesamteuropäischen Geschichte. Somit sei die Ausstellung eine gute Gelegenheit, sich ein Bild von der historischen und aktuellen Situation dieser Mitbürger zu machen. Von vielen ging gleich zu Kriegsbeginn eine aktive Rolle bei der Aufnahme und Versorgung ukrainischer Flüchtlinge aus. Fachreferent der Landsmannschaft Dr. Eugen Eichelberg hat die inhaltliche Einführung und Erläuterung vorgenommen.

Herzensprojekt von Andreas Wagner

„Es werden viele Orte gezeigt. So lassen sich die Bevölkerungsgruppen besser einordnenden“, beschreibt Initiator Andreas Wagner sein Herzensprojekt – die Wanderausstellung. Der 1975 geboren Diplom-Ökonom stammt selbst aus Zelinograd (heute Astana; Hauptstadt Kasachstans Anm. d. Red.). „Da im Odenwald ein hoher Anteil dieser Leute beheimatet ist, sei es auch sinnvoll, die Ausstellung hierher zu holen,“ erklärt er.

SPD Michelstadt meidet Eröffnungsfeier

 Jedoch gab es Kritik an der geplanten Eröffnungszeremonie. In einem Brief an Michelstadts Bürgermeister Tobias Robischon erklärte die Michelstädter SPD, dass diese keine Repräsentanten zur besagten Veranstaltung entsende. Grund für die Absage der Partei war eben jener Andreas Wagner aus Erbach, welcher auch als Initiator die Eröffnungsrede hielt. Er kandidiert bereits für das Amt des Bürgermeisters in Erbach als auch für das Amt des Landrats im Odenwaldkreis. Zudem war er aktives Mitglied der AfD-Fraktion; ist allerdings seit September 2021 aus der Partei ausgetreten und somit parteilos. Nach Ansicht der SPD-Fraktion vertrete Wagner immer noch „offen und aktiv die Position zur AfD.“ Dies, so beschreibt der Pressesprecher der SPD, Michael Hüttenberger, werde deutlich, als Wagner beispielsweise anlässlich eines AfD Parteitages aufgetreten sei. Zudem bestehe die Möglichkeit, auf YouTube Andreas Wagner in Aktion zu sehen. Daher hielt es die SPD-Fraktion für notwendig, ein Zeichen zu setzen und der Veranstaltung fern zu bleiben. Wie Hüttenberger weiter mitteilt, sei es „aufgrund der politischen Einstellung und des konkreten politischen Handelns des Herrn Wagner für uns als SPD nicht hinnehmbar“. Die AfD sei nach Hüttenbergers Angaben zwar demokratisch legitimiert, vertrete aber keine demokratischen Positionen. Die Michelstädter SPD-Fraktion untermauert ihr Fernbleiben mit den Worten, dass sie die Einladung Wagners „als Affront allen denjenigen gegenüber empfinde, die sich für ein tolerantes Miteinander aller Kulturen und im Sinne eines weltoffenen Michelstadts einsetzen.“ 

Enttäuscht zu dieser Haltung äußert sich Wagner: „Ich kann nicht nachvollziehen, warum so ein wichtiges Bundesprojekt auf diese Art entwertet wird.“ So stehe es doch jeder Person frei, eine von der Stadt durchgeführte kulturelle Ausstellung zu besuchen (…). Dies zeigen mangelnde Wertschätzung der Ausstellung an sich und des Andenkens gegenüber.

Kranichsteiner SPD sucht lieber Dialog

Wie der Michelstädter Bürgermeister ergänzt, sind allerdings Vertreter der SPD aus Darmstadt-Kranichstein eigens für diese Eröffnungsfeier angereist. „Für mich war Andreas Wagner kein Thema. Ich kannte den Mann überhaupt nicht“, begründet Toni Oblaski von der SPD Darmstadt-Kranichstein seine Anwesenheit bei der Eröffnungsveranstaltung. Er habe erst vor Ort erfahren, welchen politischen Hintergrund Wagner hat. Oblaski sei eigentlich nur zu der Wanderausstellung gekommen, weil er eine Einladung erhalten habe. Zudem sei sein Vater Ukrainer und seine Mutter Sudetendeutsche. Oblaski selbst ist geborener Belgier. „Für mich war der Besuch eine persönliche Entscheidung; keine politische“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der SPD Darmstadt-Kranichstein weiter. So besuche er auch Wanderausstellungen von Sinti und Roma. „Auf jeder Seite, egal ob ganz rechts oder ganz links,  gibt es ,Bekloppte´. Wir müssen unsere Demokratie besser aufstellen.“ Oblaski betont, dass er nicht jede Veranstaltung meiden könne. Er suche in der Demokratie lieber den Dialog. Daher ist für ihn die Frage, weshalb so viele Menschen aus der SPD austreten, besonders wichtig. Auf die Frage, ob er dennoch gekommen wäre, hätte er im Vorfeld gewusst, welche politische Vergangenheit Wagner hatte, antwortet er konsequent : „Ich denke, ja.“

Bürgermeister von Michelstadt über Verhalten der SPD erstaunt

„Ich habe mit so etwas nicht gerechnet,“ erklärt Michelstadt Bürgermeister Tobias Robischon auf Nachfrage dieser Redaktion. Alleine in Michelstadt stamme die Hälfte aller Zugewanderten aus der Russischen Föderation und Kasachstan, wie Robischon ausführt. Zudem sei gerade erst die Interkulturelle Woche gestartet, so dass auch das Timing der Ausstellung gut in den Kontext passe. 

Die Stadt Michelstadt und die Stabsstelle Integration hatte bereits im Januar 2022 die Initiative des fraktionslosen Abgeordneten Wagner ausdrücklich und fraktionsübergreifend begrüßt und aufgegriffen, diese Ausstellung in den Odenwald zu holen, heißt es in der Pressemeldung der Stadt Michelstadt. „Da Herr Wagner selbst Russland-Deutscher ist, schien es nur angemessen, dass auch er ein paar Worte sagt, was seine Motivation hierfür war. Es war seine Idee, die Wanderausstellung nach Michelstadt zu holen“, ergänzt das Michelstädter Stadtoberhaupt auf Nachfrage. Wagner selbst sei zwar kein Mitglied des Vereins „Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V.“, allerdings sei er in einem anderen Verein, der sich der internationalen Vernetzung der Deutschen aus Russland widmet.

Anzahl der Gäste überschaubar

Die Anzahl der teilnehmenden Gäste war recht überschaubar. Gerade etwas mehr als 20 Personen seien anwesend gewesen. Daher möchte sich auch niemand öffentlich zu der Veranstaltung äußern. Hinter vorgehaltener Hand ließen einige Teilnehmer allerdings zum Ablauf durchsickern, dass Tobias Robischon ein Grußwort verlas und Andreas Wagner als Initiator die Eröffnungsrede hielt. Es wurde nach Angaben der Besucher keine Propaganda bezüglich Putins Angriffskrieg in der Ukraine betrieben. Allerdings wurde auch nicht über die aktuelle Situation in der Bevölkerung Russlands debattiert. Dies beklagt auch einer der Gäste: „Es hat mich gestört, dass kein Wort zu Putins Krieg und der Situation in Russland von heute gesagt wurde.“ 

Kontakt

Interessierte haben die Möglichkeit, die Wanderausstellung „ Deutsche aus Russland – Geschichte und Gegenwart “ in der Zeit vom 04. bis 16. Oktober in den Räumen der Odenwaldhalle zu besuchen. Nähere Informationen erteilt Tatjana Schmied unter der Nummer 06061-74159 oder unter wirsindmichelstadt.de. Clarissa Yigit

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