Diese Lkw steht bereit. Er wird am Mittwoch in die Ukraine fahren. Foto: privat

„Meine hochschwangere Schwägerin war in der Ukraine drei Tage auf der Flucht vor den russischen Truppen“, erzählt die Rimhornerin Natali Sereda, die am Dienstag gemeinsam mit Viktoriya Fleischer eine Hilfsaktion ins Leben gerufen hat.

Am Schwimmbad Höchst steht er, der große Lkw, zu dem minütlich Odenwälder kommen, um das zu bringen, was derzeit im Kriegsgebiet gefragt ist: Schlafsäcke, Isomatten, Taschenlampen und Batterien, Windeln verschiedener Größen, Babynahrung dazu vor allem haltbares Essen in Konserven, da die Versorgung in der Ukraine mit jedem neuen Tag mehr und mehr zusammenbricht.

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Mindestens bis Mittwoch wird der Lkw am Schwimmbad Station machen, „bis er voll ist“, sagt Sereda, dann geht es über Tschechien zurück ins ukrainische Lemberg. „Wir tun alles, was wir können“, meint Sereda. Die Kosten für den Rücktransport und den Zoll trage sie mit ihrem Arbeitgeber.

„Das alles ist so furchtbar.“ Von einem Psychopathen spricht sie, wenn es um den russischen Staatschef Wladimir Putin geht, einem Menschen, dessen Verhalten nicht zu verstehen sei. Ihre ukrainische Familie sei jetzt glücklicherweise in Sicherheit vor diesem „kranken Mann“. Dann bricht Sereda in Tränen aus, für die sie sich sogleich entschuldigt.

Abgelenkt sei sie durch die Hilfsaktion in Höchst, denn es ist viel zu tun, während sich ihre Freunde in Lemberg in Kellern versteckten, um vor den Einschlägen der Raketen sicher zu sein. Um den Transport des Lkw durch zum Teil feindliches Gebiet macht sich Sereda noch keine Sorgen: „Die Westukraine ist noch relativ frei.“ Aber wie lange noch?

Viktoriya Fleischer, die Mitinitiatorin, berichtet über Freunde in Sumy im nordöstlichen Teil der Ukraine. „Es stehen russische Panzer auf den Straßen, es gibt keinen Strom, keine Heizung mehr, die Lebensmittel werden knapp.“ Der Kontakt sei inzwischen abgebrochen.

Eine befreundete Familie sei mit drei Kindern, Zwillinge im Alter von viereinhalb und einem Kind von zwei Jahren, samt Großmutter südlich von Kiew in Richtung Rumänien aufgebrochen. „Zwei Tage waren es bis Rumänien, zwei weitere Tage warteten sie an der Grenze, bis ein Ehepaar die Familie aufnahm.“ Das Essen sei ihnen da längst ausgegangen, Hilfsorganisationen seien nicht vor Ort gewesen.

„Die Einheimischen haben sich um die Flüchtlinge gekümmert.“ Am Ende habe die Familie das Auto samt Schlüssel und Fahrzeugbrief an der Grenze für die Helfer stehen lassen und sei zu Fuß gen Rumänien gelaufen – zu sechst mit nur zwei Koffern. 

Die Familie sei nach dieser Odyssee zunächst ins polnische Krakau geflüchtet. Auch Natali Fleischer weint, als sie das erzählt. „Besser als nutzloses Heulen ist es, jetzt helfen zu können“, sagt Fleischer und verabschiedet sich, weil sie auf dem Weg nach Höchst ist. Viele Hilfsgüter seien auch bei ihr eingetroffen, die sie nun mit einem Anhänger zum Lkw bringt.

Auch Höchst als Gemeinde mit Bürgermeister Horst Bitsch unterstützen die Aktion. „Ich habe die Verwaltung mit einem vierstelligen Betrag zum Einkaufen geschickt“, so Bitsch. „Es muss etwas passieren.“

Die zwei Lkw-Fahrer hätten den Stellplatz von der Gemeinde bekommen, dazu die Schlüssel zum Schwimmbad, um sich duschen zu können. „Ich bin fassungslos über das, was in der Ukraine derzeit passiert“, meint der Bürgermeister. Diesem „Idioten“, wie er Putin nennt, traue er alles zu, auch den Einsatz von Atomwaffen.

Auch Sereda hat Angst davor, was noch passieren könnte. Für sie zählt erstmal nur eins: Die Schwägerin hat es inzwischen nach Deutschland geschafft, viele Ukrainer warten im Land und an den Grenzen noch auf Hilfe. Sandra Breunig

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