Am 1.Januar werden die Pforten geschlossen.
Am 1.Januar werden die Pforten geschlossen.

Jetzt steht fest: Am 1. Januar ist Schluss im Kinderheim Kairos in Langenbrombach. Knapp vier Jahre nach Eröffnung schließen sich für Betreuer und Jugendliche die Tore der Unterkunft.

Dabei hatte alles so engagiert begonnen, nachdem das ehemalige Restaurant „Zur Mühle“ 2016 gekauft und zum Kinderheim umgebaut wurde. Zunächst lebten ausländische Kinder und Jugendliche dort, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen waren und einen Neubeginn in Langenbrombach fanden.
Später kamen deutsche Jugendliche dazu, die zu Hause Probleme hatten, und im Kairos gemeinsam mit den Flüchtlingskindern untergebracht waren. Nun endet diese Ära und die Zeit der Jugendlichen dort.

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Grund ist laut der Pressestelle des Odenwaldkreises der unerwartet frühe Tod der Leiterin des freien Jugendhilfeträgers Kairos, Katja Schley, im Juni dieses Jahres mit nur 47 Jahren. Andere Gründe habe es nicht gegeben. Dabei gab und gibt es Kritik an der Führung des Kinderheimes – und zwar vor allem von denen, die dort lebten und leben. „Selbstverschuldet“ sei das Ende des Kinderheims, meint Max (Name von der Redaktion geändert), der lange Zeit im Kairos lebte. Die Zustände – nicht nur die baulichen und hygienischen – erklärten, warum sich kein neuer Träger gefunden habe.

Zwiespältige Erinnerungen
Der Odenwaldkreis hat eine andere Begründung: „Der Kreis wurde umfassend über die Schließung informiert und begleitete den Prozess eng. Die Suche nach einem neuen Betreiber liegt im Ermessen der Erben und ist nicht Aufgabe des Kreises.“ Davon entkoppelt blickt Max mit zwiespältigen Erinnerungen an seine Zeit im Kairos zurück: „Die Betreuer waren überwiegend nett, aber mit der Situation vor Ort oft total überfordert.“ Es soll nicht nur zwischen den Kindern, sondern auch zwischen einigen Betreuern fortwährend Konflikte gegeben haben.

(Fotos: privat & Sandra Breunig)

„Ich hatte immer den Eindruck, die Betreuer sitzen dort nur ihre Zeit ab“, sagt der junge Mann. „Die meiste Zeit waren wir uns selbst überlassen und konnten machen, was wir wollten.“ Unter den Jugendlichen sei mit Drogen gedealt worden, es sei zu sexuellen Übergriffen gekommen. „Auch ich bin sexuell angegangen worden“, erinnert sich Max. Eingeschritten seien die Verantwortlichen nicht, sondern hätten nur erwidert: „Sieh das doch als Kompliment.“ Auch Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten unter den Jugendlichen, die dort eigentlich eine Zuflucht finden sollten, und Vandalismus seien an der Tagesordnung gewesen. Weder die Betreuer noch das zuständige Jugendamt habe die Beschwerden der Jugendlichen ernst genommen – dieses Gefühl habe Max zumindest gehabt.

Bestätigte Vorwürfe
Die Vorwürfe bestätigen auch eine andere Bewohnerin und eine Mutter gegenüber dieser Redaktion. Etwa von den Betreuern angedrohte Drogentests seien nie umgesetzt, körperlich unangemessene Annäherungen und verbale Angriffe nie geahndet worden. Kontrolliert wurden „die Zustände und die personelle Situation vor Ort halbjährlich von der Fachberatung Heimaufsicht des Jugendamtes“, teilt die Presseabteilung des Odenwaldkreises mit. „Von Seiten des Jugendamtes des Odenwaldkreises gab es keine Beanstandungen an der Einrichtung.“
Aktuell leben dort laut Kreisverwaltung noch sieben, früher waren es auch mal 20 Jugendliche.

Nicht alle Heranwachsenden sind vom Odenwaldkreis, sondern auch von anderen Stellen dort untergebracht worden. Bei dem Teil, für den der Kreis zuständig ist, übernimmt der Odenwaldkreis mit Unterstützung des Landes Hessen die Finanzierung der Unterbringung. „Der aktuelle Tagessatz für die Betreuung der Kinder liegt bei 159,34 Euro“, heißt es bei der Pressestelle. Das entspricht einem Monatsbeitrag von rund 5000 Euro je Kind.

Keinerlei Stellungnahme
Weder über die finanzielle, die personelle Situation noch über die Anzahl der zu betreuenden Jugendlichen oder die Umstände und Vorwürfe gab es eine Stellungnahme vom Kinderheim. Die pädagogische Leiterin war einem Mitarbeiter zufolge des Kinderheims Anfang der Woche das letzte Mal vor Ort. Jegliche Kommunikation gegenüber dieser Redaktion wurde von der derzeit verantwortlichen Stelle des Kinderheims abgelehnt. Laut Odenwaldkreisverwaltung werden die Kinder ein letztes Weihnachten im Kairos verbringen, bevor sie dann im neuen Jahr „in anderen Einrichtungen untergebracht“ werden. Sandra Breunig

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