An der Gedenktafel für Robert van Horn am Eingang des Friedhofs von Winterkasten versammelten sich Nachfahren des in die damaligen Ereignisse verwickelten Gestapo-Manns zusammen mit dem für die Recherche zuständigen René Winterstein (links). Foto: Philipp Kriegbaum

Reichelsheim. Zum Gedenken an den US-amerikanischen Piloten des Zweiten Weltkriegs, Robert Leslie van Horn, der am 18. März 1945 im Wald zwischen Winterkasten und Neunkirchen, in der Nähe des Naturparkplatzes am „Weinweg“, getötet wurde, hatten sich am Volkstrauertag des vergangenen Jahres Nachkommen des für seinen Tod verantwortlichen Mitverschwörers am Friedhof von Winterkasten getroffen.

Die Initiative dieses Treffens ging von René Winterstein, Beerfurth, aus, der sich in jahrelanger Forschungsarbeit um das Schicksal des Flugzeugführers gekümmert hatte. In diesem Zusammenhang recherchierte er nicht nur dessen Lebensgeschichte, sondern auch die Zeit bei der US-Air Force und dessen Einsatz über Deutschland. Dazu nahm er Kontakt mit den Angehörigen des damals 27-jährigen 2nd Lieutenants auf. Robert van Horn selbst wurde in Millersburg (Iowa) als viertes von sechs Kindern des Friseurs Carl Carlson van Horn und seiner Frau Edith Mae geboren und war zum Zeitpunkt seines Militärdienstes verlobt.

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Winterstein konnte von der mittlerweile 101-jährigen Verlobten zu Beginn seiner Recherchen ebenfalls Informationen erhalten. Ein bis heute bestehender enger Kontakt ergab sich darüber hinaus mit der Schwägerin des getöteten Robert van Horn, Ernella van Horn, die den Beerfurther sehr unterstützte. Da Robert van Horn schon immer davon träumte, eines Tages Pilot zu werden, um sich wie ein Vogel durch die Lüfte zu bewegen, meldete er sich als Freiwilliger des Zweiten Weltkriegs bei der Air Force.

René Winterstein kontaktierte bei seinen Nachforschungen darüber hinaus nicht nur das Nationalarchiv der Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch die deutschen Bundes- und Landesarchive und führte Zeugenbefragungen durch, so weit dies noch möglich war. Dabei konnte er herausfinden, dass Robert van Horn im Anschluss an seine Ausbildung zum Piloten letztendlich nach Großbritannien verlegt wurde.

Dort war er mit einer P51-Mustang, einem amerikanischen Jagdflugzeug, innerhalb der 55. Fighter Group zum Schutz der schweren Bomber zuständig, die Deutschland angriffen. Dabei geschah es, dass er am Sonntag, 18. März 1945, bei einem Begleitflug Motorschaden erlitt und oberhalb des Fronhofs von Frohnhofen notlanden musste. Er wurde gefangen genommen und über Reichelsheim nach Lindenfels gebracht.

Von dort führte sein letzter Weg im Beiwagen eines mit zwei Mann besetzten Motorrads der Gestapo über Winterkasten in Richtung Neunkirchen, das er jedoch nicht mehr erreichte, da er während der Fahrt vom Motorrad aus erschossen und am Waldrand liegen gelassen wurde. Am nächsten Tag bestatteten ihn die Winterkastener auf dem nahegelegenen Friedhof. Nach dem Krieg wurde er exhumiert und fand seine letzte Ruhestätte auf dem Nationalfriedhof von Minneapolis, Minnesota.

Da der junge Forscher René Winterstein bereits seit längerer Zeit über eine Gedenkmöglichkeit für das Opfer des NS-Regimes nachgedacht hatte, wandte er sich an den Ortsbeirat von Winterkasten mit der Bitte um Anbringung einer Erinnerungstafel am Friedhofseingang. Nach positiver Entscheidung gestaltete er die Tafel, ließ sie aus Acrylglas herstellen und brachte sie schließlich dort an, wohin er im vergangenen Jahr die kleine Gruppe der Nachfahren eingeladen hatte. An den Kosten für die Gedenktafel beteiligte sich die Schwägerin Ernella van Horn aus eigener Tasche mit einem Scheck aus den Vereinigten Staaten. Zum Ausklang der Gedenkveranstaltung spielte einer der Anwesenden auf seiner Trompete das international klassische Soldatenlied „Lili Marleen“ von Lale Andersen. Wolfgang Kalberlah

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