Das Newcomer-Duo Lena & Linus spielte auf dem „Sound of the Forest“-Festival. Foto: fblurryxwine/Malwine Zeiseler

Oberzent. Wenn im Odenwald der Bass durchs Unterholz dröhnt und Musikfans zwischen Bäumen und Zeltplätzen tanzen, ist klar: „Sound of the Forest“ ist zurück. Auch 2025 zog das Festival wieder ein bunt gemischtes Publikum an den Marbach-Stausee – ein Ort, der jedes Jahr für ein paar Tage zur Bühne für neue Töne, bekannte Stimmen und echte Entdeckungen wird. Zwischen Zeltplätzen, Waldlichtungen und einer Bühne mit Seeblick wurde vier Tage lang getanzt, gehört, geschwommen, getrunken, gegessen und geschwitzt. Was das Musikfestival so besonders macht, ist dessen Rahmen: keine Betonflächen, kein Großstadttrubel, sondern nur Wald und Wiesen, Wasser und Musik. Wer hier auftritt, spielt nicht nur vor, sondern mit dem Publikum – zwischen Hängematten, Lichterketten und plötzlichem Sommerregen. Die Künstler kommen aus ganz Deutschland und darüber hinaus – musikalisch irgendwo zwischen Indie, Pop, Elektro und dem, was sich nicht so leicht einordnen lässt. Und genau deshalb passt das Indie-Pop-Duo Lena & Linus hierher wie der Nebel zum Morgengrauen.

Lena & Linus (bürgerlich Lena Bäcker und Linus Knobling) machen seit fünf Jahren gemeinsam Musik. Kennengelernt haben sich die beiden Würzburger 2020 während des Lockdowns via Social Media – aus einem musikalischen Austausch wurde schnell und überraschend ein gemeinsames Projekt. 2021 folgte ein Plattenvertrag beim Berliner Plattenlabel „Four Music“, 2023 erschienen zwei EPs. Beide Veröffentlichungen sowie die Singles sorgten in der deutschsprachigen Indie-Szene für erste Aufmerksamkeit als auch Chartplatzierungen und erhielten positive Resonanz – ebenso wie ihr diesjährig erschienene Debütalbum „Wir verglühen“. Laut ihrer Webseite lässt sich ihre Musik als „Soundtrack des Erwachsen- und Älterwerdens [beschreiben], der sich irgendwo zwischen den melancholischen Weiten des Universums, den intimen Momenten des Alltags, sehnsüchtiger Wehmut und Jugend-Nostalgie abspielt“. Wir vom Odenwälder Journal hatten auf dem „Sound of the Forest“ die Ehre, ein Interview mit diesem aufstrebenden Musik-Duo zu führen.

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Odenwälder Journal: Liebe Lena, lieber Linus, willkommen im Odenwald! Ihr spielt heute mitten im Wald – zwischen Bäumen, Zelten und Mücken. Was macht das mit euch, wenn ihr an so einem Ort Musik macht? Spürt ihr hier eine andere Verbindung zum Publikum als in einem Club oder Konzertsaal?
Lena: Ja, auf jeden Fall. Wir haben direkt vor dem See gespielt. Auf der Seebühne. Und die Bühne ist hinten offen, man kann auf den See schauen, und die Leute haben einfach eine andere Energie, als wenn man jetzt abends im Club spielt. Sie sind irgendwie ein bisschen leichter drauf und das war schön.

Odenwälder Journal: Erzählt unseren Lesern von eurem jeweiligen musikalischen Werdegang, bevor es Lena & Linus gab, und welche Instrumente ihr spielt.
Linus: Ich spiele Gitarre. Eigentlich nur Gitarre: E-Gitarre und Akustikgitarre. In meinem damaligen Elternhaus bin ich mit Abba und ACDC großgeworden. Aber erst 2020 habe ich angefangen, Gitarre zu spielen – also voll spät. Außerdem war ich im Schulchor, aber viel mehr auch nicht. Und während des Lockdowns hatte ich Lust, mir Gitarrenspielen beizubringen. Dann habe ich auch Lena recht schnell kennengelernt. And that’s how it is (lacht).
Lena: Als Kind war ich im Chor und hatte ein bisschen Klavierunterricht. Als Teenie habe ich dann angefangen, Songs zu schreiben, auch am Klavier. Mittlerweile spiele ich neben Klavier auch Bass und ein bisschen Gitarre.

Odenwälder Journal: Warum macht ihr überhaupt Musik? Warum ist Musik in eurem Leben derart wichtig?
Lena: Ich weiß es nicht. Ich habe jetzt keinen Grund, warum ich Musik mache. Es ist einfach ein angeborenes Interesse. Dieses Interesse ist einfach da und es fühlt sich gut und richtig an. Es ist einfach so (lacht).
Linus: Ich mache wahrscheinlich größtenteils wegen Lena Musik. Wir haben uns auf eine besondere Art und Weise gefunden und wir können im Songwriting immer voll gut aufeinander aufbauen. Und das macht mir einfach großen Spaß. Und ich glaube, hätte ich einfach so Gitarre angefangen 2020, dann hätte ich bestimmt nicht damit weitergemacht, wenn Lena nicht dagewesen wäre.

Odenwälder Journal: Euer Album trägt den Titel „Wir verglühen“. Warum habt ihr euer Debütalbum so benannt?
Lena: Der gleichnamige Song „Wir verglühen“, der auch auf diesem Album drauf ist, war einer der ersten Songs, die wir für dieses Album geschrieben haben. Und für uns ist es einfach so ein bisschen das Älterwerden oder das Erwachsenwerden im großen Sinne und dass die Zeit schnell vergeht und wir als kleiner Punkt auf der großen Welt und im großen Universum nach einer gewissen Zeit verglühen (lacht).

Odenwälder Journal: Gab es in eurem Leben oder in eurer Musik etwas, das ihr bewusst verglühen lassen musstet – und warum musste es davor brennen?
Linus: Ja, auf jeden Fall. Lena und ich haben mit englischsprachiger Musik angefangen – und das mussten wir leider verglühen lassen. Für uns war englischsprachige Musik immer so eine Art Schutzschild, weil das versteht ohnehin niemand wirklich, wenn wir live spielen und weil es ein bisschen egal ist, was man sagt. Und wir haben uns dann bewusst dafür entschieden, auf Deutsch zu schreiben, um eben diese Barriere zwischen unserer Musik und unseren Zuhörenden zu verringern. Damit auch meine Oma verstehen kann, worüber wir singen (er und Lena lachen). Also: Auf Englisch singen musste leider „verglühen“.

Odenwälder Journal: Wie habt ihr euch auf diesem Debütalbum musikalisch und textlich verändert – im Vergleich zu euren ersten beiden EPs?
Lena: Textlich sind wir vielleicht sogar noch ein bisschen ehrlicher geworden und einfach ein bisschen besser im Texten, weil wir in diesen Bereichen zwei Jahre lang Übung sammeln konnten. Und musikalisch haben wir uns einfach mehr getraut, also: Früher waren wir nur akustisch unterwegs. Du hast die erste EP vielleicht gehört, die enthält fast nur Gitarre und Gesang. Und jetzt haben wir uns in der Produktion mehr ausgetobt.

Odenwälder Journal: Das ist mir auch aufgefallen: Warum seid ihr in eurer Musik von Akustik, die eure beiden EPs charakterisiert, zu einer produktionstechnisch volleren Musik, wie auf eurem Debütalbum zu hören, gewandert?
Linus: Unsere ersten beiden EPs waren relativ akustisch – einfach deswegen, weil es das Projekt vorher noch gar nicht gab und die Grundidee des Projekts darauf basierte, dass uns nur unsere beiden Stimmen sowie eine Gitarre zur Verfügung stehen und wir lediglich mit diesen beiden Hilfsmitteln einen Song schreiben. Und wir haben uns gedacht: Das ist vielleicht eine coole Introduction [deutsch: Einführung], einfach zu sagen: Hey, das sind wir, und da ist eine Akustikgitarre mit dabei, aber nicht viel mehr. Aber jetzt haben wir einfach auch Fans, die das mögen und die uns zuhören. Im Vergleich zu den beiden EPS haben wir uns in dem Sinne weiterentwickelt, dass wir uns selbst gesagt haben: Wir sind Lena & Linus, und wir sind zwar auch Akustikgitarre und zwei Stimmen, aber wir sind auch alles, worauf wir Bock haben und genau das ist dieser Gedanke, der bei diesem Album präsent war. Wir hatten uns früher mal die Frage gestellt: Oh Gott, ist dieser Song noch Lena & Linus? Aber irgendwann dachten wir uns: Nee, hey, wir sind Lena & Linus – was wir mögen, können wir machen.
Lena: Ja genau: einfach das machen, was Spaß macht.
Linus: Und auf unser Album schlägt sich dieser Sinneswandel nieder.

Odenwälder Journal: Ihr teilt euch nicht nur den Gesang, sondern schreibt auch zusammen – wie läuft so ein typischer Songwriting-Prozess bei euch ab?
Linus: Also erst einmal trinke ich einen Kaffee.
Lena: (lacht) Linus macht sich einen Kaffee, ich mache mir einen Tee. Es ist immer ein bisschen unterschiedlich, aber fürs Album war es jetzt so: Linus sitzt an seinem Laptop und dann machen wir zusammen einen kleinen Beat, also so ein Instrumental, und dann sitze ich währenddessen schon ein bisschen an meinem Handy und tippe erste Textideen ein oder Linus zeigt mir seine schriftlichen Notizen. In unserer Notiz-App speichern wir immer alles, was uns so im Laufe des Tages einfällt. Und dann fangen wir an, auf dieser Grundlage Texte zu schreiben und erste Melodien zu finden… Also, es ist echt so ein Flow-Zustand (deutsch: Rauschzustand), in dem man am Ende oft auch gar nicht mehr so genau weiß, wann was passiert ist. Manchmal ist ein Song fertig und wir fragen uns: Oh, wie sind wir darauf gekommen? Und manchmal ist es aber auch so, dass Linus eine Gitarre in der Hand hat und wir nur akustisch schreiben und dies dann später produzieren.
Linus: Oft ist es auch mal einfach so, dass wir uns einfach über irgendeine Situation oder über etwas Komisches, was uns passiert ist, unterhalten – und dann sagen wir so: Ja, wollen wir nicht einen Song darüber schreiben (lacht)?

Odenwälder Journal: Inwiefern unterscheidet sich eure Musik von anderen Künstlern? Wir würdet ihr selbst eure eigenen Unterscheidungsmerkmale beschreiben?
Lena: Was uns so vom großen Teil unterscheidet, ist einfach, dass wir zwei Stimmen – eine männliche und eine weibliche Stimme – miteinander mischen. Wir singen also nicht wie bei einem Duett im Wechsel – zuerst singt die Eine einzeln ihren Text und anschließend singt der Andere einzeln seinen Text und der ganze Song wird in diesem Wechsel gesungen – , sondern wir singen den ganzen Text gleichzeitig, also synchron. Und musikalisch: Ich weiß nicht, ich finde, jede individuelle Person macht immer etwas Individuelles. Also, ich weiß jetzt nicht, wie krass wir uns von anderen Künstlern unterscheiden. Aber ich glaube, diese Duo-Geschichte und der Hintergrund unserer Bandgründung ist schon etwas Besonderes.
Linus: Voll. Und schon früh war für uns klar, dass wir klassische Duette ein bisschen cheesy (deutsch: kitschig) finden und nicht machen wollen. Und ansonsten berichten wir in unseren Songs sehr gerne relativ direkt über Sachen, die uns passiert sind oder die uns beschäftigen.
Lena: Ja, wir mischen auch die Perspektiven.

Odenwälder Journal: Welches eurer bisherigen Lieder gehören zu euren absoluten Lieblingssongs und warum?
Lena: Für mich ist es zum Beispiel „Hamburg“, weil das der Anfang von uns beiden war. Es war eine Songskizze von Linus, da gab es Lena & Linus noch gar nicht – da hat er mir den Song gezeigt und schon da fand ich den voll schön. Und dann lag der irgendwie voll lang rum und irgendwann haben wir ihn zusammen fertiggemacht. Und das war auch einer der ersten Songs, die wir released (deutsch: veröffentlicht) haben und dieser Song ist bis jetzt auch einer der meistgehörtesten Songs von uns und macht live immer sehr viel Spaß. Wir spielen ihn immer am Ende und gehen nochmal so ab mit der Band. Deswegen ist der Song auf jeden Fall besonders für mich.
Linus: Ich finde „La La Land“ aus unserem Debütalbum super. Dieser Song war – wie „Hamburg“ – ebenfalls eine Skizze, die ich irgendwie lange bei mir herumliegen hatte und die wir dann fürs Album produziert haben. Und dieser Song ist einfach von der Produktion her sehr schön und ein Thema, das mich sehr berührt, deswegen „La La Land“.

Odenwälder Journal: Was würdet ihr euren damaligen Ichs von 2020 – kurz bevor ihr beide euch kennengelernt habt – heute raten in Bezug auf Texte schreiben, Konzerte geben und musizieren? Welche konkreten Fortschritte habt ihr beide im Laufe der letzten fünf Jahre gemacht, inwiefern seid ihr als Künstler gewachsen?
Linus: Ich würde einfach sagen: Mach dich nicht verrückt, aber sei fleißig. Und in den letzten fünf Jahren haben wir – gerade was Songwriting angeht – gelernt, fleißig zu sein und Arbeit reinzustecken. Wenn man irgendwo in einem Song eine Platzhalterzeile hat, bei der man sagt: Ja, die schaue ich mir irgendwann einmal an… Dann spielt man den Song fünf Mal live und diese Platzhalterzeile ist immer noch da – wir haben also gelernt, dass es cool ist, solche Platzhalterdinger nicht zu prokrastinieren, sondern sich von Anfang an mit ihnen auseinanderzusetzen bis man endlich die richtigen Worte gefunden hat. Dann sitzt man eben eine halbe Stunde lang da und redet über drei Worte, aber wir haben gelernt, fleißig zu sein, was das angeht.
Lena: Das kann manchmal drei Stunden dauern für so eine Zeile, aber es lohnt sich halt.

Odenwälder Journal: Habt ihr schon Ziele für die nächsten fünf oder zehn Jahre? Gibt es neue Genres oder Instrumente, mit denen ihr euch musikalisch ausprobieren wollt?
Lena: Also, ich glaube, so karrieremäßig denken wir gar nicht so weit, sondern wir denken jetzt erst einmal ans nächste Album, unser zweites Album. So langsam fangen wir an, für unser zweites Album zu schreiben. Jetzt gehen wir erst einmal in den Urlaub im September (lacht) und danach fangen wir langsam an, unser zweites Album zu schreiben. Unser großes Ziel ist es einfach, den Spaß daran nicht zu verlieren – und sobald es keinen Spaß mehr macht, irgendetwas zu ändern, damit es wieder Spaß macht.“

Odenwälder Journal: Habt ihr schon Pläne zum Konzept des zweiten Albums oder ist dies noch „Top Secret“?
Linus: Es ist weniger Top Secret als dass wir es auch noch nicht wissen (lacht).
Lena: Nee, also wir haben vielleicht drei Skizzen. Wir müssen uns fokussiert nochmal hinsetzen und schreiben und wir wissen noch nicht, wie lang dies dauern wird. Aber ich denke, das Album wird nächstes Jahr fertig sein.

Odenwälder Journal: Dann seid ihr ganz schön fleißig. Vielen Dank für das Gespräch und viel Spaß noch auf dem Festival!
Lena & Linus: Danke!

Text und Interview von Aleksandar Kerošević.

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