Beim großen Finale der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) vom 3. bis 5. Oktober am traditionsreichen Hockenheimring traf sich die Motorsport-Elite zu einem packenden Saisonabschluss. Mit dabei war auch das Odenwälder Journal, das Automobilsportluft schnuppern durfte – eingeladen von einem Unternehmen, das den Rennzirkus auf entscheidende Weise mitgestaltet: Pirelli. Der Reifenhersteller mit Sitz in Breuberg liefert seit Jahren die Hochleistungsreifen für die DTM. Am Rande des Finalwochenendes sprach Redaktionsleiter Aleksandar Kerošević mit Wolfgang Meier, dem CEO von Pirelli Deutschland, über die Faszination DTM, technologische Innovationen im Reifensektor und die Bedeutung von Pirelli für den Odenwaldkreis.
Odenwälder Journal: Pirelli ist bekannt für High-Performance-Reifen. Wie profitieren Autofahrer im Alltag von Ihrer Motorsport-Erfahrung?
Wolfgang Meier: Motorsport bedeutet Fahren im Grenzbereich – maximale Beschleunigung, extreme Bremsmanöver, höchste Kurvenstabilität. Unser Ansatz „Race to Road“ beschreibt genau das: Die Erkenntnisse aus dem Rennsport fließen direkt in die Entwicklung unserer Straßenreifen ein. In unserem Entwicklungszentrum in Breuberg arbeiten rund 250 Ingenieure sowie insgesamt 2.500 Mitarbeiter. Der Fokus liegt klar auf der Erstausrüstung für deutsche Hersteller wie VW, Porsche, Škoda, BMW und Mercedes. Und egal ob Sommer-, Winter- oder Ganzjahresreifen – unsere Motorsport-Erfahrung ist in jedem Profil spürbar.
Odenwälder Journal: Welche Rolle spielen Elektrofahrzeuge bei Ihrer Produktentwicklung?
Wolfgang Meier: Eine sehr zentrale. Allein für Elektrofahrzeuge haben wir inzwischen über 800 Homologationen entwickelt. Diese Reifen sind exakt auf die spezifischen Anforderungen von E-Autos zugeschnitten: höheres Gewicht, verändertes Anfahr- und Bremsverhalten sowie besonders niedriger Rollwiderstand. Unser Technologiepaket Elect sorgt dafür, dass Performance und Effizienz optimal zusammenspielen.
Odenwälder Journal: Reifen sind heute Hightech-Produkte. Welche Innovationen dürfen Kunden in Zukunft erwarten?
Wolfgang Meier: Schön, dass Sie das so formulieren – denn viele unterschätzen den technologischen Anspruch von Reifen. Letztlich ist der Reifen die einzige Verbindung zwischen Fahrzeug und Straße. Neben neuen Performance-Features forschen wir intensiv an nachhaltigen Materialien – etwa an der Verwendung von Reisschalen als Rohstoff. Unser Ziel ist es, Umweltverträglichkeit und High Performance zu vereinen – das nennen wir Eco Safety.
Odenwälder Journal: Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema in der Automobilbranche. Wie setzt Pirelli das konkret um?
Wolfgang Meier: Unser Nachhaltigkeitsverständnis ist ganzheitlich. Es umfasst nicht nur unsere Produkte, sondern auch unsere Prozesse, den Umgang mit Mitarbeitenden und unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt. Wir engagieren uns etwa in Biodiversitätsprojekten. Schon heute bestehen einige unserer Reifen zu über 55 Prozent aus nachhaltigen Materialien – künftig wollen wir diesen Anteil auf bis zu 80 Prozent steigern.
Odenwälder Journal: Die DTM am Hockenheimring ist ein Highlight der Saison. Welche Bedeutung hat dieses Engagement für Ihre Marke?
Wolfgang Meier: Hockenheim ist das große Finale der DTM und jedes Jahr ein Publikumsmagnet. Dort fahren seriennahe Fahrzeuge – BMW, Porsche, Lamborghini oder McLaren – auf unseren Reifen. Das zeigt eindrucksvoll, wie moderner und nachhaltiger Rennsport heute funktioniert. Mit dem neuen P Zero DHG mit FSC-zertifiziertem Naturkautschuk setzten wir 2025 ein klares Zeichen für nachhaltigen Motorsport. Und ab 2026 fährt die DTM exklusiv mit Pirelli Reifen, die wir in Breuberg fertigen. Gleichzeitig ist es ein Familienevent mit großer Nähe zur Zielgruppe. Darum ist unser Engagement dort so wichtig.
Odenwälder Journal: Pirelli Deutschland hat seinen Sitz in Breuberg – mitten im Odenwald. Was macht den Standort für Sie besonders?
Wolfgang Meier: Breuberg ist einer der traditionsreichsten und zugleich innovativsten Pirelli-Standorte weltweit. Seit über 60 Jahren gehören wir zur Pirelli-Gruppe, die Industriegeschichte des Standorts reicht sogar über 120 Jahre zurück. Durch die Nähe zu den großen deutschen Automobilherstellern hat sich Breuberg zu einem Technologiezentrum entwickelt. Man könnte sagen: Wir sind ein Start-Up mit 120 Jahren Erfahrung – angetrieben von Innovationsgeist, Präzision und dem Anspruch auf Perfektion. Viele unserer Mitarbeitenden sind bereits in der dritten Generation bei uns. Reifenentwicklung kann man nicht studieren – das lernt man am besten direkt vor Ort.
Odenwälder Journal: Der Fachkräftemangel ist branchenweit ein Thema. Wie gelingt es Pirelli, im Odenwald attraktive Arbeitsplätze zu schaffen?
Wolfgang Meier: Wir setzen auf Innovation, Weiterbildung und ein gutes Arbeitsumfeld. Der Odenwald bietet hohe Lebensqualität, und wir schaffen spannende Perspektiven – zum Beispiel mit unserem Virtual Development Center. Zudem bilden wir jährlich rund 40 Auszubildende selbst aus. Wer bei uns startet, kann an zukunftsweisenden Technologien mitarbeiten und sich langfristig entwickeln.
Odenwälder Journal: Viele verbinden Pirelli mit Premiumqualität. Wie stellen Sie sicher, dass dieser Anspruch auch in Zukunft erfüllt wird?
Wolfgang Meier: Qualität ist für uns kein Ziel, sondern Voraussetzung. Als langjähriger Partner führender Automobilhersteller und Testsieger in unabhängigen Reifentests – ob Sommer, Winter oder Ganzjahresreifen – ist unser Anspruch, immer zu den Besten zu gehören. Dafür investieren wir kontinuierlich in Entwicklung, Testverfahren und Produktionsprozesse.
Odenwälder Journal: Wenn Sie den Blick in die Zukunft richten: Welche Entwicklungen werden die Reifenbranche in den nächsten fünf bis zehn Jahren besonders prägen?
Wolfgang Meier: Drei Themen stehen im Fokus: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Vernetzung. Reifen werden künftig Daten liefern, etwa über Zustand, Temperatur oder Druck – mithilfe unserer Cyber Tyre Technologie. Gleichzeitig arbeiten wir an Materialien, die nachhaltiger, aber ebenso leistungsfähig sind. Und schließlich: Der entscheidende Faktor bleibt der Mensch. Die Innovationskraft unserer Teams in Deutschland ist unser größtes Kapital.
Odenwälder Journal: Herr Meier, vielen Dank für das Gespräch!
Text und Interview von Aleksandar Kerošević




