Schon seit ihrer Gründung üben die Vereinigten Staaten von Amerika und dabei vor allem die Gründungsidee hinter der Erklärung ihrer Unabhängigkeit vom britischen Königreich eine ganz besondere Faszination auf uns Europäer aus: „The land of the free“ – „das Land der freien Menschen“ ist ein in der Nationalhymne der USA verbrieftes Versprechen, das in den vergangenen Jahrhunderten Millionen von Europäern überzeugt hat, ihr Glück in der sogenannten „neuen Welt“ zu suchen.
Rund zwei Monate vor der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl fühlte sich der hier Reisebericht erstattende Odenwälder von genau dieser Idee und von der Frage angezogen, was der Ausgang dieser Wahl eigentlich für uns Deutsche bedeuten wird. Er brach deshalb gen Westen auf, um zu erfahren, was die Menschen in den USA wirklich denken und worauf wir uns als Europäer in den kommenden Jahren einzustellen haben, wenn wir über den Atlantik blicken. Die Reise beginnt in der Hauptstadt der Staaten, Washington D.C., dem politischen Herzen der amerikanischen Demokratie.
Am ersten Tag der einwöchigen Reise nimmt auf dem Weg zur deutschen Botschaft der aus Afrika per GreenCard-Lotterie eingewanderte Taxi-Fahrer im Grunde schon eine überraschende Erkenntnis der Reise vorweg: Auf die Frage hin, wen er denn für das Amt des Präsidenten unterstütze, seufzt er laut und erklärt, dass er Trump schwierig finde, seine eigene ökonomische Situation unter ihm als Präsident aber besser gewesen sei als jetzt. Bei Kamala (Harris) wisse er schlicht nicht, was ihn am Ende wirklich erwarte. Vor allem die Steuerpolitik der Demokratischen Partei sei ein Risiko für Selbstständige und mittelständische Betriebe.
Im Laufe der Reise gelingt es mir, beide Präsidentschaftskandidaten, Trump und Harris, live zu erleben und sprechen zu hören. Ein Unterschied wie Tag und Nacht und doch anders, als wir es in den meisten deutschen Medien nachlesen können. Die Vereinigten Staaten sind ein gespaltenes Land. Ein Land, in dem, so scheint es mir, zwei Gruppen von Menschen in völlig unterschiedlichen Realitäten leben.
Ich treffe im liberalen Washington auf Studenten der Universtäten von Georgetown und Stanford mit jüdischen Wurzeln. Ihnen liegt vor allem das Schicksals Israels und die Unterstützung ihres Heimatlandes für die jüdische Nation im Nahen Osten am Herzen. Trump sei eine Zumutung, aber in der jüdischen Frage klar positioniert. Harris und die Demokratische Partei derweil duldeten extrem linke und antisemitisch hetzende Abgeordnete in ihren Reihen.
Die Vizepräsidentin bleibe in ihrer Unterstützung für Israel vage und zuweilen ambivalent. Harris spricht am Freitag dieser Woche vor etwa 5.000 Menschen in Flint, Michigan. Sie hält auf der von hiesigen Gewerkschaften ausgerichteten Veranstaltung eine souveräne und staatstragende Rede, mit der sie auf internationalem Parkett jederzeit bestehen könnte. Doch in den konkreten innenpolitischen Fragen bleibt sie Antworten schuldig. Die sich immer wiederholende Botschaft der Rede: Ich bin nicht er. Ich bin verlässlich und bleibe es. Ich bin professionell. Doch wird das reichen?
Kevin Schmauß




